Ein medizinischer Notfall, ein schwerer Verkehrsunfall, ein Brand oder eine bedrohliche Situation – wenn Menschen in Gefahr sind, ist schnelles und richtiges Handeln entscheidend. Der Notruf ist oft der erste Schritt, um professionelle Hilfe zu holen. Doch was genau muss ich tun, wenn ich den Notruf wähle? Und wie kann ich sicherstellen, dass Hilfe schnell und effektiv eintrifft? Dieser Artikel gibt Ihnen eine umfassende Anleitung, wie Sie sich im Ernstfall verhalten sollten.
Der erste Impuls: Ruhe bewahren
Der Moment, in dem man erkennt: Hier stimmt etwas nicht, jemand braucht Hilfe, ist oft von Stress und Aufregung geprägt. Doch gerade jetzt ist es wichtig, ruhig zu bleiben. Adrenalin kann uns zwar zu schnellen Handlungen antreiben, führt aber auch leicht zu Überreaktionen oder Denkblockaden.
Tipp: Atmen Sie tief durch, verschaffen Sie sich einen Überblick über die Lage und sprechen Sie ruhig mit anderen Beteiligten. Oft reicht schon eine Person mit klarem Kopf, um eine ganze Situation zu stabilisieren.
Die richtige Notrufnummer wählen – 112 oder 110?
In Deutschland gelten zwei zentrale Notrufnummern:
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112 – für medizinische Notfälle, Unfälle, Brände, Naturkatastrophen
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110 – für polizeiliche Hilfe, z. B. bei Einbrüchen, Gewalt, Bedrohung, Diebstahl
Die 112 ist europaweit einheitlich gültig. In modernen Handynetzen ist sie kostenfrei, auch ohne Guthaben oder mit gesperrter SIM-Karte. Selbst ohne Netz des eigenen Anbieters wird der Anruf über verfügbare Netze weitergeleitet.
Die 5-W-Regel – das Herzstück jedes Notrufs
Die 5-W-Fragen sind der Leitfaden für jedes Notrufgespräch. Sie helfen der Leitstelle, die Lage schnell zu erfassen und die richtigen Einsatzkräfte zu schicken.
Die fünf W-Fragen im Detail:
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Wo ist es passiert?
Geben Sie die genaue Adresse an: Straße, Hausnummer, Ort, Stockwerk, ggf. besondere Hinweise (z. B. Hinterhof, Baustelle, Kilometerangabe auf Autobahn, GPS-Koordinaten). Je genauer die Angabe, desto schneller findet das Rettungsteam den Ort. -
Was ist passiert?
Schildern Sie die Situation in kurzen Sätzen: z. B. „Autounfall mit zwei Fahrzeugen“, „Bewusstlose Person im Park“, „Wohnungsbrand“. Keine Panik – es geht um einen ersten Überblick. -
Wie viele Verletzte oder Betroffene?
Versuchen Sie, die Zahl zu schätzen: Sind mehrere Personen verletzt? Ist jemand eingeklemmt? Müssen Menschen evakuiert werden? -
Welche Verletzungen oder Symptome?
Gibt es offensichtliche Verletzungen (z. B. Blutungen, Knochenbrüche)? Klagen Betroffene über Schmerzen? Atmen sie schwer oder gar nicht? -
Warten auf Rückfragen!
Legen Sie niemals selbst auf. Die Leitstelle beendet das Gespräch, wenn alle Informationen erfasst wurden. Oft stellen die Disponenten noch gezielte Fragen oder geben Anweisungen zur Ersten Hilfe.
Fallbeispiele – so läuft ein richtiger Notruf ab
Beispiel 1: Verkehrsunfall auf der Landstraße
Sie entdecken einen Autounfall. Ein Fahrzeug liegt im Graben, der Fahrer ist nicht ansprechbar.
Ihr Notruf könnte so aussehen:
„Hier spricht Anna Müller. Ich bin auf der B301 bei Kilometer 12, Richtung Freising. Ein Auto liegt im Straßengraben, der Fahrer ist bewusstlos. Ich sehe keine weiteren Verletzten. Ich bleibe vor Ort.“
Beispiel 2: Medizinischer Notfall in der Wohnung
Ihr Vater klagt plötzlich über starke Brustschmerzen, Atemnot und kalten Schweiß.
Ihr Notruf:
„Mein Name ist Jens Krüger. Ich bin in der Hauptstraße 25 in Köln, 2. Stock. Mein Vater hat starke Brustschmerzen und bekommt schlecht Luft. Er ist ansprechbar, aber sehr schwach.“
Erste Hilfe leisten – Pflicht und Möglichkeit
In Deutschland gilt die Pflicht zur Hilfeleistung (§ 323c StGB). Wer keine Hilfe leistet, obwohl es ihm zuzumuten wäre, macht sich strafbar. Niemand muss sich selbst in Gefahr bringen – aber wer helfen kann, sollte es tun.
Was Sie tun können:
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Unfallstelle absichern (z. B. Warnblinker, Warndreieck)
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Betroffene beruhigen und ansprechen
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Puls und Atmung überprüfen
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Falls nötig: Wiederbelebung (Herzdruckmassage)
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Anweisungen der Leitstelle folgen
Tipp: Frischen Sie Ihre Erste-Hilfe-Kenntnisse regelmäßig auf – etwa bei Kursen vom DRK, ASB, Johannitern oder Maltesern. Bereits nach zwei Jahren vergessen viele Menschen grundlegende Abläufe.
Häufige Fehler beim Notruf – und wie man sie vermeidet
Viele Menschen machen im Stress vermeidbare Fehler. Hier die häufigsten und wie man sie verhindert:
Häufige Fehler beim Notruf – und wie man sie vermeidet
In Stresssituationen neigen viele Menschen dazu, unbewusst Fehler zu machen. Diese lassen sich jedoch leicht vermeiden, wenn man sich der typischen Stolperfallen bewusst ist:
1. Zu frühes Auflegen:
Ein häufiger Fehler ist, das Gespräch zu beenden, bevor die Leitstelle dazu auffordert. Besser: Legen Sie erst auf, wenn die Einsatzkraft Ihnen deutlich sagt, dass alle Informationen erfasst sind. Oft folgen noch wichtige Rückfragen oder Anweisungen.
2. Ungenaue Ortsangaben:
Angaben wie „im Stadtpark“ oder „auf der Autobahn“ reichen nicht aus. Je präziser Ihre Beschreibung, desto schneller können Helfer reagieren. Besser: Nennen Sie genaue Straßennamen, Kilometerangaben, markante Punkte oder – wenn möglich – GPS-Koordinaten.
3. Überladung mit irrelevanten Details:
Einige Menschen erzählen im Eifer des Gefechts die gesamte Krankengeschichte einer betroffenen Person. Besser: Konzentrieren Sie sich auf die akute Situation – was jetzt passiert ist und welche Symptome vorliegen.
4. Technische Probleme vermeiden:
Manchmal bricht ein Gespräch ab, weil der Akku leer oder das Netz instabil ist. Besser: Achten Sie auf ausreichenden Ladezustand Ihres Handys, vor allem auf Reisen oder bei längeren Aufenthalten im Freien. Wenn das Gespräch unterbrochen wird, versuchen Sie es sofort erneut.
Diese einfachen Korrekturen können im Ernstfall entscheidend sein – sowohl für die betroffenen Personen als auch für die Retter. Wer vorbereitet ist, kann besonnen und effektiv handeln.
Kinder und Notruf – früh üben hilft
Schon Kinder im Vorschulalter können lernen, im Notfall Hilfe zu holen. Viele Feuerwehren und Schulen bieten Projekte wie „Notruf-Training“ für Kinder an.
Wichtige Inhalte:
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Eigene Adresse kennen
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Die Nummer 112 auswendig wissen
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Keine Angst haben, mit der Leitstelle zu sprechen
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Rollenspiele zum Üben
Fazit: Jeder kann ein Lebensretter sein
Ein Notruf ist kein Hexenwerk – aber eine verantwortungsvolle Handlung. Wer weiß, wie er im Ernstfall richtig reagiert, hilft nicht nur anderen, sondern gibt auch sich selbst Sicherheit. Denn: Die meisten Notfälle passieren im privaten Umfeld. Ob zu Hause, im Verkehr oder unterwegs – mit der richtigen Reaktion machen Sie den entscheidenden Unterschied.
Wichtige Rufnummern im Überblick
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112 – Feuerwehr und Rettungsdienst
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110 – Polizei
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116 117 – Ärztlicher Bereitschaftsdienst (nicht lebensbedrohlich)
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0800 111 0 111 – Telefonseelsorge (kostenlos, anonym)
Merksatz für den Notfall
„112 – sag mir: WO, WAS, WIE VIELE, WELCHE Art, WARTE auf Rückfragen!“